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Persönlicher Kommentar

Flüchtlingspolitik im Fokus

Mit den Ereignissen auf der griechischen Insel Lesbos rückt die Flüchtlingsfrage erneut in den Brennpunkt europäischer Politik. Die griechischen Behörden machen eine Handvoll junger Männer, deren Asylanträge abgelehnt worden waren, für den Brand des Lagers Moria verantwortlich. Uns erreichen schlimme Bilder. Die Lager auf den griechischen Inseln waren bereits hoffnungslos überfüllt und dann verloren tausende Menschen vorübergehend ihre Unterkunft. Die griechische Regierung gibt offen zu, dass diese Lager auch abschreckende Wirkung haben sollen. Meiner Meinung nach haben diese Zustände viel mit der deutschen (und anfangs auch österreichischen) Flüchtlingspolitik 2015/16 zu tun, die unsere Gesellschaft und die Europäische Union nachhaltig spaltet.

Seit Gründung im Jahr 1993 liegen Migration und Flucht im Zuständigkeitsbereich der EU. Im Frühherbst 2015 setzte die deutsche Regierung jedoch im Alleingang die europäische Rechtsgrundlage (Dublin Abkommen) außer Kraft. In Folge kam es zu einer zeitweise  unkontrollierten und enormen Einwanderung über die Balkanroute nach Mitteleuropa. Neben Geflüchteten nutzten auch viele Menschen die offenen Grenzen in Hoffnung auf bessere wirtschaftliche Verhältnisse. Die Bilder, die ARD und ZDF damals zeigten, erweckten den Eindruck, dass zu einem großen Teil Familien mit Kindern kamen. Später stellte sich heraus, dass etwa 70% allein reisende Männer waren.

Viele kamen in der festen Überzeugung, sie seien von der deutschen Regierung eingeladen worden. Daran hatten auch skrupellose Leute ihren Anteil, die Deutschland als Schlaraffenland darstellten, wo man schnell Wohnung und Arbeit und noch manches mehr bekommt. Es gibt Berichte über Familien, die ihr gesamtes Hab und Gut verkauften, um für einen Sohn den Schlepper nach Deutschland zu bezahlen. Dieser sollte die Familie später ins verheißungsvolle Land nachholen. Wie groß muss die Enttäuschung sein, wenn dieser Plan mißlingt!?

Wolfgang Schäuble verglich Angela Merkel damals mit einer unvorsichtigen Skifahrerin, die eine Lawine auslöste. Ohne die große Hilfsbereitschaft und das immense ehrenamtliche Engagement in der deutschen Bevölkerung hätten die Herausforderungen kaum bewältigt werden können. Mit der Versorgung und Unterbringung der vielen Menschen leisteten die Kommunen Enormes! Mich versetzte die Unfähigkeit bzw. Unwilligkeit der führenden deutschen Politiker, die unkontrollierte Einwanderung zu stoppen, Ende 2015 in große Sorge um unser Land. Dies war der Hauptgrund, nach 17 Jahren inaktiver Mitgliedschaft in der SPD politisch aktiv zu werden!

Vor allem in Deutschland ist die Empörung über Regierungen osteuropäischer Länder groß, die sich an der Aufnahme der Geflüchteten und Migranten nicht beteiligen wollen. Sie verweisen darauf, dass Deutschland 2015 ohne Absprache mit den Partnerländern die unkontrollierte starke Einwanderungsbewegung auslöste und zu verantworten hat. Bei aller berechtigten Kritik sollten wir uns ehrlich fragen, wie wir reagieren würden, wenn andere Länder Alleingänge mit weitreichenden Konsequenzen im Bereich der Gemeinschaftspoltik unternehmen? Wären wir bereit die Folgen solidarisch zu teilen?

Die griechische Regierung will die Menschen von Moria nicht auf das griechische Festland verlegen, sondern ein neues Lager errichten. Sie begründet dies mit der Befürchtung, dass weitere Lager in Flammen aufgehen wenn deutlich wird, dass man mit Brandstiftung eine Verlegung erreichen kann. Außer der deutschen ist bisher keine Regierung eines Mitgliedslands der EU bereit, Geflüchtete aus Moria im großen Stil aufzunehmen.

Nach den Ereignissen 2015/16 änderte die EU ihre Flüchtlingspolitik. Die Außengrenzen sollten besser gesichert und in den Ankunftslagern schnell entschieden werden. Diejenigen, deren Antrag auf Asyl anerkannt wird, sollen rasch auf dem europäischen Festland verteilt, diejenigen, die nicht anerkannt werden, die EU verlassen. Das Abkommen mit der Türkei, nach dem für jede in die Türkei zurückgeschickte Person ein Syrer legal aus der Türkei in die EU einreisen kann, führte zu einem deutlichen Rückgang illegaler Migration und der Schlepperkriminalität. Mittlerweile hat die Türkei das Abkommen gekündigt. Dass Erdogan nicht davor zurückschreckt, Geflüchtete als politische Waffe einzusetzen, wurde Anfang des Jahres überdeutlich, als Tausende in Sonderbussen an die griechische Grenze transportiert wurden. Man hatte ihnen erzählt die Grenze sei offen. Die armen Menschen wurden nicht nur benutzt, sondern auch belogen!

Dennoch sollte die EU sich meiner Meinung nach gut überlegen, ihrerseits das Abkommen nicht mehr zu befolgen und Geldleistungen für geflüchtete Syrer in der Türkei zu reduzieren oder gar zu streichen. Denn die Türkei leistet mit der Aufnahme von über 3 Millionen Menschen aus Syrien viel und steckt selber in einer Wirtschaftskrise. Auch wenn Erdogan dies als Schwäche auslegen könnte geht es hier um Hilfe für Millionen Menschen, die ihre Heimat zumindest vorübergehend verloren haben!

Was läuft schief in der gemeinsamen europäischen Flüchtlings- und Migrationspolitik? Unwürdig erscheint neben der Überfüllung der Lager vor allem, dass Menschen teilweise Jahre auf eine Entscheidung warten müssen. Es mangelt an schneller Entscheidung und konsequenter Umsetzung. Das ist ein klares Versagen der Europäischen Union! Man darf die Länder an den Außengrenzen der EU auf keinen Fall alleine lassen. Die EU muss alle nötigen Ressourcen zur Verfügung stellen und dafür sorgen, dass in den Aufnahmelagern schnell entschieden und die Entscheidungen auch umgesetzt werden!

Die Bereitschaft Hunderttausende Menschen unkontrolliert aufzunehmen war sicherlich eine große humanitäre Geste, die international einerseits Bewunderung, andererseits Kopfschütteln auslöste. Es zeigte sich schnell, dass eine solche Politik weder in Deutschland noch in Europa durchzuhalten ist. Das immer wiederkehrende Mantra führender Politiker, „die Ereignisse von 2015 dürfen sich nicht wiederholen“, impliziert meiner Meinung nach, dass diese Politik ein Fehler war. Die Regierung Merkel hat Deutschland in eine prekäre Lage gebracht. Denn ein großer Teil der nahezu zwei Millionen unkontrolliert eingereister Menschen kam nach Deutschland und die meisten Menschen wollen dahin, wo bereits Verwandte, Freunde und Landsleute sind. Auch deshalb wird der Migrationsdruck nach Deutschland dauerhaft hoch bleiben.

Bereits im Vorwege der Ereignisse von 2015 wurden große Fehler gemacht. So musste die UNO 2014 ihre Lebensmittelhilfen für Geflüchtete in Syrien und den umliegenden Ländern aus Geldmangel um 40% kürzen! Insbesondere im Hinblick auf Afrika sollten wir daraus lernen!

Die Vereinten Nationen (UNO) rechnen bis 2050 mit einer Verdoppelung der Bevölkerung auf dem afrikanischen Kontinent, bis zum Ende des Jahrhunderts könnte sie sich vervierfachen! Wo sollen diese Menschen Arbeit und Einkommen finden? Was passiert, wenn durch Klimawandel Teile des afrikanischen Kontinents unbewohnbar werden, wie viele Forscher es voraussagen? Enormes Elend und gewaltige Ströme von flüchtenden Menschen sind vorprogrammiert. Ich bin der Meinung, dass die afrikanischen Länder selber verantwortlich sind den starken Anstieg ihrer Bevölkerungszahlen zu bremsen. Wir Europäer müssen ihnen helfen, insbesondere weil wir durch unseren Lebensstil viel zu den Fluchtursachen beitragen. Vor allem zur wirtschaftlichen Entwicklung und Bildung kann Europa viel beitragen.

Bisher ist die europäische Handelspolitik allerdings von egoistischen Motiven geprägt und hat die Bedürfnisse der afrikanischen Länder kaum im Blick. In seinem jüngsten Buch „Diktatur der Märkte“ stellt der langjährige Europaabgeordnete der ÖDP Professor Buchner dies anschaulich dar. Ein groß angelegtes Programm zur beruflichen und universitären Ausbildung junger Afrikaner(innen) in Europa erscheint mir sehr sinnvoll. Allerdings sollte sicher gestellt werden, dass die Menschen zurückkehren, um das Erlernte in die Entwicklung ihrer Länder einzubringen.

Gunter Dörsam, Beisitzer im Vorstand

Autor/in:
Gunter Dörsam
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